In Erinnerung:
Schwester Johanna

In Erinnerung: Schwester Johanna

Heute wäre Schwester Johanna Eichmann 95 Jahre alt geworden. Am 24.2.1926 in Münster als Ruth Eichmann geboren, wuchs sie nach jüdischer Tradition auf, wie es ihre Großeltern mütterlicherseits wünschten. Schwester Johannas Vater Paul Eichmann war als Einziger der Familie römisch-katholischen Glaubens.
Als der Schulwechsel von der Volksschule zum Lyzeum bevorstand, bereitete der nun längere Schulweg große Sorgen. Denn nach der Machtübernahme 1933 war Schwester Johanna mehr und mehr dem Antisemitismus von Mitschüler*innen ausgesetzt. Darum fiel die Entscheidung auf das Mädcheninternat des Ursulinenklosters in Dorsten. Dort kannte man sich mit konvertierten Jüdinnen und ihrer Situation bereits aus. Die selbstbewusste jüdische Großmutter erkannte die Gefahr für Jüdinnen und Juden und bat auf dem Sterbebett darum ihre Enkelin taufen zu lassen. Im September desselben Jahres konvertierten Schwester Johanna und ihre Mutter zum Katholizismus, was sich später als ungeahnte Schutzfunktion gegen die Verfolgung der Nazis herausstellte. Als so genannte „Halbjuden“ waren sie noch einige Jahre relativ sicher vor antijüdischen Maßnahmen.
Das Dorstener Kloster geriet ins Visier der Nationalsozialisten und wurde 1942 verstaatlicht. Johanna war zu diesem Zeitpunkt bereits in Berlin als Dolmetscherin tätig. Ihr Vater blieb bis zum Ende der NS-Diktatur Geschäftsführer in einem Möbelgeschäft, ihre Mutter musste Zwangsarbeit leisten. Auch Schwester Johanna hatte Zwangsarbeit zu leisten. 1945 kam sie zurück nach Dorsten und fand das Ursulinenkloster, ihr ehemaliges Internat in Trümmern vor.
Von 1946 bis 1952 studierte sie Germanistik und Romanistik in Münster und Toulouse. Anschließend trat Schwester Johanna als Novizin dem Dorstener Ursulinenkloster bei. Von 1964 bis 1991 leitete sie das Gymnasium St. Ursula.
Als sich 1982 eine junge Gruppe Dorstener Bürger*innen formierte, um die Geschichte der Stadt unter dem Nationalsozialismus zu erforschen, sagte Schwester Johanna ihre Mitwirkung sofort zu. In dem Arbeitskreis, der sich „Dorsten unterm Hakenkreuz“ nannte, folgten Publikationen und Forschungsergebnisse rund um das jüdische Leben in Dorsten, aber auch um ihre Verfolgung. Es entstand die Idee einer Dokumentationsstätte. Die Suche nach einer Immobilie endete am heutigen Altbau des Jüdischen Museums Westfalen. 1992 erfolgte die Eröffnung. Bis 2006 leitete sie das Museum ehrenamtlich. Zahlreiche Publikationen zum jüdischen Leben in Westfalen und eine Autobiografie veröffentlichte sie während ihres Wirkens in der Stadt.
Am 23. Dezember 2019 verstarb Johanna Eichmann in Dorsten.