18 Sep Historische Ausstellung
von großer Aktualität
von Finn Suttrup, Praktikant
Historische Ausstellung von großer Aktualität
Bert Brecht steht auf einem Platz, er raucht eine Zigarre, neben ihm steht seine Frau Helene, im Mund eine Zigarette. Beide sehen erschöpft aus. Sie leben im Exil. Das Bild zeigt sie in Kopenhagen. Geflohen vor den Nationalsozialisten und ihrer menschenverachtenden und menschenvernichtenden Politik, nach Dänemark im Jahr 1933, kurz nach dem Reichstagsbrand. Kein „Heimatstaat“ der sie schützt, die Nazis entzogen Brecht 1935 seine Staatsbürgerschaft, er war heimatlos.
Wie Brecht erging es vielen Künstler*innen zur Zeit des Nationalsozialismus. Genau mit diesen Geschichten befasst sich die neue Ausstellung „Schiffswege Kulturschaffender ins Exil“ des Jüdischen Museum Westfalen, indem die einzelnen Exilrouten der Verfolgten veranschaulicht werden. Brecht war Kommunist, er war also politisch Verfolgter. Neben den politisch Verfolgten werden natürlich auch die Exilrouten von Jüdinnen und Juden dargestellt.
Anhand von Texttafeln, Portraitfotos und Postkarten der Verfolgten wirkt die Ausstellung lebendig und vielfältig. Die Karten erzeugen eine persönliche Nähe zu den Protagonisten der Ausstellung, sodass sich Besucher*innen in die Lage der Betroffenen hineinversetzen können. Unter den Protagonisten befinden sich Schriftsteller*innen, Maler*innen und Dichter*innen, die durch unterschiedliche Werke zum einen berühmt geworden, zum anderen teilweise aber auch in Vergessenheit geraten sind. Die Ausstellung hilft, die Lebenswege der Künstler*innen nachzuvollziehen und die Zeit der Flucht und des Exils zu verstehen.
Mir persönlich gefällt die Ausstellung besonders dadurch, dass sie immer noch aktuell ist. Ende 2019 waren so viele Menschen auf der Flucht vor Krieg und Armut wie noch nie zuvor (79,5 Millionen). Natürlich kann man die damalige Zeit nicht mit der heutigen vergleichen, dennoch finden sich ähnliche Elemente in beiden „Fluchtepochen“. Niemand flieht ohne Grund – das war damals zur Zeit der Nazis so, und das ist heute leider nicht anders (vgl. Syrien,Türkei usw). Verfolgung aufgrund einer bestimmten Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung oder politischen Gesinnung ist weltweit ein Thema, auch wenn die EU zum Beispiel gerne bei dieser Thematik wegschaut.
Wie schwierig es ist, überhaupt aus einem totalitären, faschistischem Regime wie Nazideutschland zu fliehen und danach ein neues Leben anzufangen, ist beängstigend, und das Durchhaltevermögen und der Mut der Flüchtlinge beeindruckend zugleich. Die systematische Vernichtung von Jüdinnen und Juden und anderen Verfolgten in der Shoah bleibt beispiellos und ist mit nichts Aktuellem oder Vergangenem zu vergleichen.
Zur Realisierung des Projektes kann ich sagen, dass die Arbeit mit Kurator Thomas Ridder viel Spaß gemacht hat und ich viele Dinge sowohl bei der Ausstellungsvorbereitung als auch beim Praktikum im Allgemeinen gelernt habe. Er erklärte mir, wie man üblicherweise an eine neue Ausstellung herantritt und welche Dinge man beachten muss. Neben dem Bearbeiten von Textkarten und dem Bestücken von Bilderrahmen mussten wir genau planen, welche Wände im Museum wie bestückt werden sollen. Da natürlich nicht jedes Museum, in welchem die Ausstellung zuvor präsentiert worden war, die gleiche Fläche bzw. identische Wandflächen besitzt, musste erneut geplant werden. Neben dem Ausmessen der Flächen gehörte auch eine sinnvolle Anordnung der einzelnen Werke zu unseren Aufgaben. So war es bei dieser Ausstellung von Bedeutung, dass sich die jeweiligen Künstler*innen teilweise untereinander kannten. Anna-Frank Klein fertigte zum Beispiel eine Portraitzeichnung von Carl Zuckmayer an, sodass die Werke der beiden Künstler nebeneinander gehängt wurden. „Jede Ausstellung ist anders, auch wenn sie davor bereits schon mal gehangen hat.“. Mit diesem Satz fasste Herr Ridder die praktische Arbeit und die jeweiligen Herausforderungen meiner Meinung nach gut zusammen.
Wer sich für die damalige Zeit, die Künstler*innen im Generellen oder die aktuelle Flüchtlingssituation interessiert, wird bei der aktuellen Ausstellung spannende Geschichten und Schicksale kennenlernen. Weiterführende Lektüre gibt es von der Autorin und Referentin Kristine von Soden, welche die Ausstellung zusammengestellt hat, kostengünstig im Museum zu erwerben. In ihrem Buch „Und draußen weht ein fremder Wind …“ geht sie nochmals im Detail auf die Exilrouten ein und vertieft das Thema auf 256 Seiten. Ich persönlich glaube, dass das Thema viele Leute anspricht, auch wenn die Thematik zunächst schwierig und belastend wirkt. Durch die interessant gestaltete Ausstellung und das Einbinden von Postkarten und anderen Zeitdokumenten wird die Stimmung aufgelockert und das Interesse – egal ob für jung oder alt – geweckt. Für Dorstener und Personen aus der Umgebung gibt es ebenfalls einen regionalen Bezug: Tisa von der Schulenburg erhält auch einen Platz in dieser Ausstellung.
Ich selbst bin froh, dass ich das Praktikum im Museum absolviert habe, da ich so einen spannenden Einblick hinter die Kulissen der Museumsarbeit bekommen habe.
(September 2020)