Geschichte der Dinge – Kolonialismus

von Mareike Fiedler, Pädagogische Mitarbeiterin


Seit Mitte Dezember 2020 wartet die Wanderausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zur Provenienzforschung in nordrhein-westfälischen Museen („Die Geschichte der Dinge“) im Jüdischen Museum Westfalen aufgrund von Corona vergeblich auf Besucher*innen. An dieser Stelle geben Mitarbeiter*innen des Jüdischen Museums in sechs Blogposts einen Einblick in verschiedene Aspekte dieses breiten Themas.

 

Der Geschichte 5. Teil: Kolonialismus

Einen „Platz an der Sonne“, den forderte der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow 1897 im Zusammenhang mit der deutschen Kolonialpolitik. Die europäische Kolonialzeit begann bereits in der frühen Neuzeit. Das Deutsche Reich erhob mit den obigen Worten erst zur Zeit des Spätkolonialismus (19. Jahrhundert) Anspruch auf Kolonien.

Alles andere als sonnig jedoch war das Leben in den Kolonien, war es doch von Ausbeutung (darunter wichtige Kulturgüter) und blutigen Auseinandersetzungen geprägt. In europäischen Museen und Sammlungen lagern seit der Kolonialzeit tausende Objekte aus aller Welt. Wie viele Objekte sind es? Welche davon wurden auf legale und heute noch ethisch vertretbare Weise erworben? Wie ist mit den Objekten aus kolonialer Zeit umzugehen? Reicht eine Rückgabe der Objekte oder muss es zudem einen Wissenstransfer geben?

Um sich diesen Fragen und auch der Verantwortung zu stellen, ist die angestoßene Diskussion, die seit der Debatte um die Neuausrichtung des Humboldt Forums in Berlin gesteigerte Aufmerksamkeit erhalten hat, ein erster Schritt. Sie ist Ausganspunkt, um das Erforschte zu dokumentieren, digitalisieren und so einer breiten Öffentlichkeit und den Herkunftsgesellschaften zugänglich zu machen. Wie weiter mit dem geraubten Kulturgut umgegangen wird, muss von Fall zu Fall geklärt werden. Problematisch dabei ist vor allem die Rechtsgrundlage, denn nach deutschem Recht gibt es aktuell keinen Rechtsanspruch auf die Herausgabe von Kulturgut aus kolonialen Kontexten. Dennoch haben Träger der öffentlichen Kultureinrichtungen eine politische Erklärung abgegeben, in der die Rückgabe von Objekten empfohlen wird. Rechtliche Konsequenzen lassen sich daraus jedoch nicht ableiten.

Es bleibt also zunächst in der Verantwortung der Museen selbst, wie sie mit den Objekten umgehen. Viele Museen nehmen sich dieser Aufgabe mittlerweile an und erforschen die Herkunft und Geschichte der Objekte in ihren Sammlungen.

So z.B. das Museum der Stadt Lünen, welches sich eine Schenkung genauer angesehen hat: Dabei handelt es sich um eine Andenkensammlung des Kolonialbeamten Ernst Goormann, darunter ein Elefantenkopf und ein Nilpferdfuß. Der Elefantenkopf wird vermutlich ein unbedenkliches Souvenir gewesen sein, den einheimische Handwerker damals für den europäischen Markt hergestellt haben.
Der Nilpferdfuß stammt vermutlich von einer Jagd, auf der Goormann ein Nilpferd geschossen hat. So lässt sich auch der Inhalt der Briefe lesen, die er an seine Eltern schrieb und die erhalten sind.
Das Bild des Kolonialbeamten als Großwildjäger zeigt die Machtverhältnisse in den Kolonien auf. Goormann hatte als Beamter scheinbar kein größeres Verständnis für das Land und seine Kultur. Als Freizeitbeschäftigung ging er, wie so viele andere, jagen und nahm der einheimischen Bevölkerung damit eine wichtige Nahrungsquelle.

Der sogenannte Oba, war das politische und rituelle Oberhaupt Benins. Benin war ein bis 1897 unabhängiges Königreich im heutigen Nigeria. Um ihre Vorgänger zu ehren wurden Gedenkköpfe aus Messing hergestellt. 1897 gliederte die britische Kolonialarmee Benin dem britischen Kolonialreich an und Truppen plünderten den Königspalast von Benin-City. Sie nahmen als Kriegsbeute unter anderem Bronzegüsse mit, die später zur Refinanzierung des Krieges versteigert wurden. Die Restitutionsforderungen Nigerias an verschiedene Museen in Großbritannien und Deutschland sind bis jetzt erfolglos geblieben.

Das Museum Wilnsdorf war sich lange Zeit nicht sicher, ob der Gedenkkopf in ihrer Sammlung Teil dieser Kriegsbeute ist. Neuere Forschungen ergaben jedoch, dass die Herkunft unbedenklich ist.

Weitaus bedenklicher, als bei den drei vorgestellten Objekten, verhält es sich mit einem Māori-Schädel, den das Rautenstrauch-Joest-Museum Köln ausgestellt hatte. Auch wenn die genaue Provenienz in Neuseeland noch erforscht wird, wurde der Schädel bereits an eine Delegation des Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa übergeben. So kann er hoffentlich endgültig in seine Heimat zurückkehren und den Toten und ihren lebenden Nachkommen ihre Würde zurückgeben.