Für die regionalgeschichtliche Forschung haben wir nie genug Zeit und Arbeitskraft – aber hier gibt es immerhin einige Schlaglichter auf wichtige Projekte des Museums. Auch die Seite „Veröffentlichungen“ informiert über frühere Forschungs-Ergebnisse.
Jüdische Friedhöfe sind an vielen Orten Deutschlands das einzige verbliebene Zeugnis jüdischen Lebens, und der nationalsozialistischen Zerstörung sind erstaunlich viele von ihnen entgangen. Wir beschäftigen uns seit langem mit der Geschichte, dem aktuellen Zustand und der lokalgeschichtlichen Aussagekraft jüdischer Friedhöfe in unserer Region.
Bisher sind dazu drei Veröffentlichungen im Druck erschienen: „Kleine Leitfäden“ zu den jüdischen Friedhöfen in Dorsten, Schermbeck sowie Borken/Gemen- siehe „Veröffentlichungen“. Weitere Broschüren/Büchlein sind in Vorbereitung; dabei kooperieren wir jeweils mit lokalen Gruppen und Forscher/innen und werden wissenschaftlich beraten vom Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut in Essen.
Von 2011 bis 2015 arbeitete ein Team des Jüdischen Museums an diesem Vorhaben: Der Themenkomplex „Heimat und Juden, jüdische Heimat, Nachbarschaft von Juden und Nichtjuden“ wurde in diesem Forschungs- und Ausstellungsprojekt – mit regionalem Schwerpunkt und mit Verweisen zu deutschlandweiten oder europäischen Themen – exemplarisch untersucht und 2014/2015 in einer großen Sonderausstellung präsentiert. Diese Recherche bezog sich auf Themen aus Recht und Politik, Kultur (Literatur, Musik, Theater) und Gesellschaft (insbesondere Alltag und Vereinen).
Wir knüpften damit an die weit verbreitete Vermutung an, dass Juden ein besonderes Verhältnis zu ihrer Heimat haben, und zeigen an geschichtlichen Spuren, in erster Linie aus dem 19. und 20. Jahrhundert, vor welchem geschichtlichen Hintergrund es zu dieser Wahrnehmung gekommen ist. Dabei werden Stationen und Bedingungen der Sesshaftwerdung und des Erwerbs von Bürgerrechten durch Juden in unserer Region sichtbar ebenso wie die verschiedenen jüdischen Wege der Integration und die sich wandelnden Identitätsentwürfe in diesen Prozessen. Themenbereiche der Ausstellung waren: Heimatrecht – Heimatliebe – Heimatvertrieben – Heimweh – Mehrere Heimaten.
Damit konnten wir
Meilensteine und Produkte waren eine Fachtagung im Jahr 2012, eine Veröffentlichung 2015, ein Hörbuch (zu beidem siehe „Veröffentlichungen„), eine Website sowie die Ausstellung (gestaltet vom Büro KatzKaiser, Köln/Darmstadt).
Das Projektteam bestand aus: Dr. Iris Nölle-Hornkamp und Thomas Ridder M.A.; es wurde unterstützt durch Elisabeth Schulte-Huxel und Dr. Norbert Reichling. Förderung: Die Personalkosten des Projekts wurden durch die Kulturstiftung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe großzügig gefördert. Für die Ausstellung waren außerdem die Krupp-Stiftung, die Bethe-Stiftung und weitere Unterstützer entscheidend.
Die jüdische Zuwanderung seit dem Jahr 1990 hat dazu geführt, dass jüdisches Leben in den Gemeinden und in anderen Formen wieder eine Zukunft hat in Deutschland. Am Beispiel des Ruhrgebiets haben wir beispielhafte Lebensgeschichten dokumentiert: Woher kamen die Einwanderer und Einwandererinnen? Warum zogen sie nach Deutschland? Welche Erfahrungen haben sie in der früheren Heimat und hier gemacht? Welche Rolle spielen die Gemeinden für die Zuwanderer, welche Formen des Jüdischseins spielen eine Rolle und welche Zukunftsperspektiven haben sie – und wir gemeinsam?
Unter dem Titel „Angekommen!?“ entstand aus 24 Interviews eine Wanderausstellung, die seit dem Frühjahr 2010 im Ruhrgebiet und anderswo gezeigt wird. Die individuellen Motive und die großen Leistungen der eingewanderten Männer und Frauen werden damit erkennbar.
2008 entdeckte Elisabeth Schulte-Huxel vom Vorstand des Museumsvereins die überlebende Tochter einer 1938 deportierten ostjüdischen Familie aus Dorsten, besuchte Elise Hallin-Reifeisen in Stockholm und führte mit ihr ein Interview zu ihrer Lebensgeschichte. Frau Hallin-Reifeisen war als Kind mit ihrer Familie am 28. Oktober 1938 nach Polen deportiert worden und später durch einen „Kindertransport“ nach Schweden gerettet worden. Für ihre Eltern Simon und Gertrud Reifeisen legte Gunter Demnig 2008 einen sog. Stolperstein in Dorsten (www.gelsenzentrum.de/familie_reifeisen).
Im Dorstener Museum fand im November 2008 ein Vortrag zu diesem Thema statt. In Gelsenkirchen wurde 2009 ein „Stolperstein“ für Regine Spanier, Tante der Zeitzeugin, verlegt – siehe auch hier.
2011 veröffentlichte Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel (Hg. im Auftrag des Jüdischen Museums Westfalen) das Buch „Mein liebes Ilsekind“ Mit dem Kindertransport nach Schweden. Briefe an eine gerettete Tochter
Eine Zusammenfassung dieser Familien-Recherche wurde im Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck und der Stadt Dorsten 2009 und hier veröffentlicht:
www.gelsenzentrum.de/geschichte_familie_reifeisen
Bereits 2008 wurde eine zusätzliche Internetseite des Jüdischen Museums freigeschaltet: Unter der Webadresse www.eisendrath-stories.net werden in englischer Sprache etwa 30 Geschichte der im 19. Jahrhundert aus Dorsten (weitgehend) in die USA emigrierten Familie Eisendrath präsentiert; auch ein belgischer Zweig war aufzufinden. Da wir immer wieder Anfragen von jüngeren Familienmitgliedern aus den USA bekamen, haben wir beschlossen, als „work in progress“ wenigstens einige Bausteine dieser faszinierenden Geschichte im Internet zu veröffentlichen. Zu diesem Zweck haben wir einige Texte und Quellen aus der Forschungsarbeit des Museums redigiert, übersetzt und zusammengestellt, außerdem einige der Besuchsberichte von Familienmitgliedern der letzten Jahre.
Im Juli 2010 fand ein großes Treffen mit 55 Mitgliedern der Familie Eisendrath aus den USA und aus Belgien in Dorsten statt – ein englischsprachiger Bericht darüber (übersetzt aus unserer Museumszeitung „Schalom“) ist hier nachzulesen.
Und in unserer Publikationsliste gibt es inzwischen den Titel „From Dorsten to Chicago“ zu finden und zu bestellen.