Der Versuch einer Ausstellung

Der Versuch einer Ausstellung

von Lukas Schütrumpf, Praktikant


Bereits seit einigen Wochen ist mein studentisches Praktikum im Jüdischen Museum Westfalen, während dem ich viele spannende neue Erfahrungen sammeln konnte, beendet.

Zu diesen Erfahrungen gehört neben dem Hospitieren von Ausstellungsführungen, der Teilnahme an Workshops und Fortbildungen sowie dem Auf- und Abbau von Ausstellungen auch das Kuratieren einer eigenen kleinen Ausstellung.

Aufgrund meiner vergangenen politischen antifaschistischen Arbeit sowie meinem politikwissenschaftlichen Bezug zur Antisemitismusforschung, habe ich mich dazu entschieden, eine Ausstellung über das Christentum und Judenfeindschaft zu kuratieren. Eine Ausstellung, die zum 27.01.2024, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, im Foyer des Museums eröffnet wurde.

An dieser Stelle möchte ich auch nachdrücklich erwähnen, dass nicht ausschließlich Juden*Jüdinnen Opfer des nationalsozialistischen Wahns geworden sind, sondern auch Sinti*zze und Rom*nja, Homosexuelle, Obdachlose, Invalide, Osteuropäer*Osteuropäerinnen, Kommunisten*Kommunistinnen, Gewerkschafter*Gewerkschafterinnen und weitere Gruppen (bpb 2022). Aus verschiedenen Gründen kann sich diese Ausstellung jedoch nur mit der Gruppe der Juden*Jüdinnen beschäftigen, doch erinnert werden sollte an alle.

Christliche Judenfeindschaft bildet historisch einen wesentlichen Bestandteil des Antisemitismus. „Die Anhänger der Vaterreligion werden von denen des Sohnes gehasst als die, welche es besser wissen“ (Adorno / Horkheimer 1988: S. 188), schrieben Adorno und Horkheimer in den Elementen des Antisemitismus. Doch spielt das christliche Element im modernen völkischen wie bürgerlichen Antisemitismus, wenn überhaupt, nur noch eine, der sozioökonomischen Basis und der daraus ergebenden psychosozialen Disposition der Gesellschaftsmitglieder, untergeordnete Rolle (Adorno / Horkheimer 1988). Auch die empirische Antisemitismusforschung weist darauf hin, dass sich aktueller Antisemitismus in Deutschland eher aus der NS-Vergangenheit speist als aus dem Christentum (Wiese: S. 2). Aber dennoch: Der durch Religion, Kultur und andere gesellschaftliche Institutionen Jahrhunderte lang tradierte christliche Antijudaismus, hat dem modernen Antisemitismus zugespielt. Das hat auch Jules Isaac 1960 in seinem Schreiben an Papst Johannes XXIII hervorgehoben (Gottschlich 2015: S. 27f.). Daher hoffe ich, mit der Ausstellung zumindest etwas das Bewusstsein der Besucher*innen für diesen unrühmlichen historischen Zusammenhang von Christentum und Judenfeindschaft zu schärfen.

Die Erarbeitung der Ausstellung durchlief mehrere Schritte, zwischen denen ich Rücksprache mit der Kuratorin Frau Winkler hielt:

Zunächst hatte ich mich an die altbekannte Aufgabe der Literaturrecherche im Internet sowie in der hauseigenen Bibliothek gemacht. Anschließend durchsuchte ich die Sammlungsdatenbank nach interessanten Exponaten. Mit Hilfe der Literatur, der Exponate und meines Vorwissens, ergab sich das Thema der Ausstellung. Im nächsten Schritt habe ich mir mit Hilfe von Handbüchern und Gesprächen mit Frau Winkler, Wissen zum Verfassen von Ausstellungskonzepten und -texten angeeignet. Mit diesem hatte ich zunächst das Grobkonzept entworfen, in dem der Zweck der Ausstellung, ihr Hauptthema, eine Liste erster Ausstellungsstücke sowie der wissenschaftliche Stand und die gesellschaftliche Relevanz dargestellt werden. Daran schloss sich der Entwurf des Feinkonzeptes an, das aufgrund der Größe des Hauses und der begrenzten Dauer des Praktikums zusammengefasst wurden. Es enthält die Gliederung der Ausstellung in thematische Bausteine und die Auflistung der zu verwendenden Objekte mitsamt Maße, Beschreibung und Inventarnummern.

Die von mir entworfene Ausstellung ist gegliedert in

a) Katholischer Antijudaismus, behandelt Hostienfrevel, Ritualmord, Pogrome während des ersten Kreuzzugs und der Pest

b) Protestantischer Antijudaismus, behandelt Luthers vormodernen Antisemitismus und Antijudaismus in protestantisch geprägten Ländern des Heiligen Römischen Reichs

c) Christliche Judenfeindschaft heute, behandelt christliche antijüdische Symbolik heute und die Aufarbeitung des christlichen Antijudaismus

An dieser Stelle möchte ich anmerken: Aus Platzgründen und fehlender Exponate musste an einigen Stellen abgewägt werden, welcher Inhalt in die Ausstellung aufgenommen werden kann. So finden leider die diversen Synoden der Evangelischen Kirche in Deutschland zur protestantischen Geschichtsaufarbeitung oder die Rintfleisch-Pogrome des Mittelalters keine Erwähnung.

Der nächste schriftliche Arbeitsschritt bestand aus dem Verfassen der Ausstellungstexte, die ich nach dem Korrekturlesen durch Museumsleiterin Frau Dr. Pieren, Frau Winkler und Frau Mausbach ein letztes Mal ausgebessert habe.

Als unerwartet schwierig haben sich für mich vor allem zwei Punkte herausgestellt: Zum einen der besondere Stil eines guten Ausstellungstextes, da dieser beim Leser*bei der Leserin sowohl Interesse wecken, in Alltagssprache geschrieben  und zugleich wissenschaftlich akkurat sein soll. Zum anderen die Kompaktheit sowohl der Texte als auch der Ausstellung als Ganzes, während gleichzeitig konsistentes Wissen vermittelt werden soll.

Beim abschließenden Aufbau ist vor allem der vorsichtige Umgang mit den Exponaten wichtig. Dazu werden die Exponate idealerweise nur mit Stoff- oder Samthandschuhen berührt, vor Sonne geschützt aufgestellt und natürlich nicht fallen gelassen.

Zu guter Letzt möchte ich mich bei Frau Fiedler, Frau Mausbach und Frau Winkler für die kollegiale und empathische Betreuung sowie bei dem restlichen, freundlichen, kompetenten Team des Jüdischen Museums Westfalen für die schöne und spannende Zeit bedanken.

Quellen:

Adorno, Theodor W. / Horkheimer, Max: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, 22. Auflage, Frankfurt am Main 1988.
bpb (2022): Die Opfer des Nationalsozialismus, https://www.bpb.de/themen/politisches-system/politik-einfach-fuer-alle/508032/die-opfer-des-nationalsozialismus/ (Stand: 24.01.2024).
Gottschlich, Maximilian: Unerlöste Schatten. Die Christen und der neue Antisemitismus, Paderborn 2015.
Martin, Bernd/Schulin, Ernst (Hrsg.): Die Juden als Minderheit in der Geschichte, München 1981.
Wiese, Christian: Antisemitismus in der Evangelischen Theologie und Kirche, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/heimat-integration/        antisemitismus/antisemitismus-expertisen.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (Stand: 24.01.2024).